Innovation Labs als Change-Instrument nutzen

Innovation Labs sollen disruptive Innovationen hervorbringen. Richtig eingesetzt, sind sie in der Lage, als Change-Instrument die Agilität klassischer Unternehmen zu steigern. Voraussetzung ist der konstruktive Austausch zwischen Kernorganisation und Lab.

von Martin Klaffke & Janine Blochowicz

Konzerne wie Audi oder Dr. Oetker, aber auch zunehmend mittelständische Unternehmen gründen dezentrale Einheiten, um abseits vom Kerngeschäft innovative Produkte, Online-Lösungen oder digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Einer Studie von Etventure zufolge verfügt bereits knapp die Hälfte der befragten 2.000 mittleren und großen Unternehmen in Deutschland über eine interne Innovationseinheit; rund 30 Prozent der Innovation Labs haben ihren Standort im Startup-Zentrum Berlin.

Offene Kommunikation und die Selbstorganisation der Mitarbeitenden in interdisziplinären Teams sind selbstverständliche Merkmale von Innovation Labs.
Martin Klaffke

ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und leitet das Hamburg Institute of Change Management. Er ist Experte für strategisches Personalmanagement, die Gestaltung neuer Arbeitswelten sowie das Management von nachhaltigen Veränderungsprozessen.

Janine Blochowicz

studiert Industrial Sales & Innovation Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Synergie- und Übertragungseffekte erzielen

Durch die zumeist räumliche Trennung von Kernorganisation und Innovation Lab beschränkt sich der kulturelle Wandel zur agilen Organisation oftmals auf die im Innovation Lab tätigen Mitarbeitenden. Doch Innovation Labs bieten durchaus Potenzial, über die Innovationsfunktion hinaus die digitale Unternehmenstransformation zu unterstützen. Beispielsweise nutzt Audi seine Denkwerkstatt in Berlin nicht nur für die Entwicklung digitaler Produkte und Services, die Audi vom Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister machen, sondern auch als Labor und Prototyp einer agilen Organisation. Auch in anderen Unternehmen existieren bereits zahlreiche Initiativen für die Orchestrierung des agilen Wandels. Soweit ergänzend eine dezidierte Innovationseinheit geplant ist, sollten bei deren Aufbau vier Erfolgsfaktoren Berücksichtigung finden, um von Synergie- und Übertragungseffekten zwischen Ideenschmiede und Kernorganisation nachhaltig zu profitieren.

1. Damit nicht nur ein Leuchtturmprojekt für die Unternehmensreputation entsteht, sondern ein relevanter Beitrag zum Unternehmenserfolg geschaffen wird, ist die Verzahnung des Innovation Labs mit den strategischen Unternehmenszielen unabdingbar. Dabei gilt es, dem Lab zwar Fokus zu geben, jedoch gleichzeitig hinreichend geschützten Raum für die kreativen Prozesse zu belassen. Zur flexiblen Abstimmung messbarer Ziele im Einklang mit der Unternehmensvision bietet sich die Methode OKR (Objectives and Key Results) an, die auch Google erfolgreich machte.

2. Kooperationen des Innovation Labs mit externen Partnern und systematische Schnittstellen mit internen Fachabteilungen sichern die interdisziplinäre Besetzung von Lab-Projekten. Gerade durch die Zusammenarbeit mit Dritten wie etwa Forschungseinrichtungen, Start-ups oder sogar Wettbewerbern entsteht ein Wissens-Ökosystem, das das Ideen-Potenzial erweitert und durch Perspektivenvielfalt bestehende betriebliche Denkmuster bei der Lösungsfindung durchbricht.

3. Interne Ressourcen müssen für die Innovations- und Entwicklungsprozesse im Lab auch kurzfristig verfügbar sein. Damit sich Beschäftigte unabhängig vom Alltagsgeschäft an Projekten beteiligen können, sind Regelungen zur Freistellung erforderlich wie etwa die im Rahmen von definierten Austauschprogrammen temporäre Entsendung von Mitarbeitenden in das Lab.

4. Eine überzeugende Vermittlung der strategischen Bedeutung des Innovation Labs, unter anderem durch Einbindung einflussreicher Multiplikatoren aus dem Management, fördert Akzeptanz für die Arbeit des Labs und damit die Bereitschaft zu dessen Unterstützung innerhalb der Organisation. Dabei gilt es vor allem, Transparenz über gegenwärtige Aktivitäten und Erfolge des Innovation Labs zu schaffen, Dialog und Vernetzung zwischen Innovation Lab und Kernorganisation zu unterstützen sowie Beschäftigte für die Projektarbeit in der Ideenschmiede zu mobilisieren. Hierfür eignen sich die Berichterstattung in internen Medien ebenso wie die Organisation von sogenannten Learning Journeys, die Führungskräften und Mitarbeitern der Kernorganisation bei einem Vorortbesuch die Arbeit des Innovation Labs näherbringt, ohne jedoch deren kreative Prozesse zu behindern.

Eine strikte Trennung von agil und klassisch agierenden Organisationseinheiten ist nicht zielführend.

Mut zu wirklichen Veränderungen

Eine strikte Trennung von agil und klassisch agierenden Organisationseinheiten ist nicht zielführend. Denn Agilität als Schlüsselkompetenz in digitalen Zeiten meint im Kern die Entwicklungs- und Wandlungsfähigkeit einer Organisation und geht damit über den bloßen Einsatz von agilen Methoden wie Scrum, Kanban oder Design Thinking hinaus. Studien zeigen, dass Unternehmen zwar oftmals agile Arbeitsweisen beherrschen, jedoch ein agiles Selbstverständnis fehlt, das auf Offenheit, Lernen und Teilen von Wissen setzt. Um das Innovation Lab als Katalysator für die agile Transformation zu nutzen, gilt es, die Ideen-Schmiede systematisch aufzubauen und vor allem den Transfer neuer Denkweisen in die Kernorganisation sicherzustellen. Erforderlich hierfür sind sowohl der Mut zu wirklichen Veränderungen als auch ein systematischer Change-Prozess, bei dem vor allem Führungskräfte und Mitarbeitende als Kulturvermittler zwischen Kernorganisation und Innovation Lab agieren und die Veränderung ihrer Arbeitswelt aktiv mitgestalten.