Die Kunst, produktive Meetings zu gestalten

Meetings sind heute ein wichtiger Kommunikations- und Entscheidungshotspot – mit einer großen Wirkung auf das gesamte Unternehmen. In Zeiten von Homeoffice und virtueller Zusammenarbeit zeigt sich noch einmal besonders, dass gute Besprechungen nicht einfach so passieren, sondern bewusst gestaltet werden müssen.

von Florian Rustler

Besprechungen werden in einer arbeitsteiligen Gesellschaft immer notwendig sein und sind trotz digitaler Kommunikationstools oft der effektivste Weg, bestimmte Fragen zu klären. In Organisationen, die agile Praktiken und Elemente der Selbstorganisation einsetzen, zeigt sich sogar, dass Besprechungen noch mehr werden. Gleichzeitig ändert sich ihr Charakter und das Format.

In vielen Unternehmen werden Besprechungen dabei als etwas wahrgenommen, bei dem es erhebliches Verbesserungspotenzial gibt. Dies zeigt sich besonders in Zeiten des Homeoffice, in denen manche Menschen ihren ganzen Tag mit einstündigen virtuellen Meetings durchgetaktet haben bzw. in denen sie durchgetaktet werden. Dass dies auf Dauer nicht produktiv sein kann, dachten wir uns auch schon vorher. Nun haben aber Studien, die die Gehirnaktivität während solcher Meeting-Tage messen, dies bestätigt. Die simple Lösung: Mehr Pausen wirklich einplanen, sowohl während als auch zwischen den Besprechungen.

Florian Rustler

Ist Gründer der creaffective GmbH, Berater und Buchautor. Er unterstützt Organisationen weltweit, Agilität und Innovation zu stärken und dabei Zusammenarbeit effektiv zu organisieren. Er ist Autor von fünf Büchern zum Thema Kreativität, Innovation und Agilität. Sein neuestes Werk „Werkzeuge für großartige Meetings“ ist seit Mai 2021 erhältlich.

Altbekannte Anstandsregeln, wie pünktlich starten und enden sowie eine Agenda verschicken, haben nach wie vor ihre Berechtigung, werden aber nicht dafür sorgen, dass Meetings richtig gut werden.

Besprechungen vom Ergebnis her denken

Vor der Planung einer jeden Besprechung sollte die Frage nach dem Zweck stehen. Wozu soll das Meeting dienen? Was soll am Ende dabei herauskommen? Das klingt einfach, wird aber erstaunlich oft nicht beachtet. Oft wird zu Besprechungen nur „thematisch“ eingeladen. „Marketingkampagne besprechen“ lautet dann der Titel des Meetings. Unter diesem Titel ist allerdings sehr viel denkbar: Wollen wir Informationen zur Marketingkampagne austauschen? Wollen wir eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen? Wollen wir den bisherigen Prozess unserer Kampagne verbessern? All diese sind legitime Zwecke, die jedoch ein anderes Vorgehen und womöglich auch andere Teilnehmende erfordern.

Wenn die Frage nach dem „Wozu“ geklärt ist, kann ein zentrales Problem von Meetings gelöst werden, nämlich das assoziative, ziellose Sich-Treibenlassen in Gesprächen. Wir können uns immer wieder zurückberufen auf den Zweck und uns fragen, ob wir diesen Zweck im Moment noch erfüllen. Basierend auf dieser Ergebnislogik lassen sich vier Meeting-Typen ableiten. In meinem aktuellen Buch stelle ich dazu ein sogenanntes Meeting-Framework vor.

Taktische Meetings

Das Ergebnis dieses Besprechungstyps besteht darin, Informationen zu synchronisieren und die nächsten Schritte festzulegen. Taktische Meetings sind schnell und fokussiert. Oft ist für diese Art von Meeting das Visualisieren zentral.

Kollaborative Meetings

In kollaborativen Besprechungen werden gemeinsam Lösungen oder Vorschläge erarbeitet und/oder Entscheidungen getroffen. Kollaborative Besprechungen sind bedächtig und konzentriert. Gemeinsam fügen die Beteiligten unterschiedliche Bausteine zu einem gemeinsamen Ganzen zusammen

Zwischenmenschliche Meetings

Diese Meetings dienen dazu, die Gruppendynamik zu pflegen und zu verbessern und Konflikte zu lösen. Zwischenmenschliche Meetings sind langsam und reflektiert.

Lern- & Verbesserungsmeetings

Der Zweck dieser Besprechungen besteht darin, dazuzulernen und das Denken zu verbessern. Lern- und Verbesserungsmeetings sind offen und reflektiert. Je nach Besprechungskategorie sind verschiedene Vorgehensweisen der Durchführung und auch unterschiedliche Gruppengrößen angemessen.

Handelsblatt Rethink Work
Handelsblatt Rethink Work

Sabine Herold: „Gemischte Teams sind besser”

Für unsere heutige Folge haben wir mit einer Frau gesprochen, deren Firma eigentlich kaum jemand so richtig kennt: Mit Sabine Herold, der Chefin des Klebstoffherstellers Delo.…

27.11.2019 | von Kirsten Ludowig und Charlotte Haunhorst

Werkzeuge für großartige Besprechungen

Nachdem der Zweck geklärt ist, kann man sich im nächsten Schritt nun Gedanken machen, mit welchem Vorgehen man diesen am besten erfüllt. Entweder man überlegt sich, welches Vorgehen sinnvoll ist, oder aber man greift auf Praktiken zurück, die sich in ähnlichen Kontexten bewährt haben. Ich bezeichne diese als Meeting-Werkzeuge. Diese Vorgehensweisen können helfen und man muss das Rad nicht neu erfinden. 13 Stück davon gibt es in meinem Buch. Einige sind vermutlich bekannt, wie Stand-ups als eine Form von taktischen Besprechungen. Andere sind für viele eher neu, wie Konsent-Entscheidungen für kollaborative Besprechungen.

Die Werkzeuge sind Strukturangebote, die in vielen Organisationen funktionieren und Mehrwert bringen.

Diese Werkzeuge sind Strukturangebote, die in vielen Organisationen funktionieren und Mehrwert bringen. Trotzdem müssen sie womöglich an den jeweiligen Kontext etwas angepasst werden. Wichtig ist, dass die Werkzeuge für die Anwender und Anwenderinnen funktionieren. Allen gemeinsam ist, dass sie ein Angebot für eine Struktur der Besprechung machen und so eine unstrukturierte Diskussion, die von wenigen Menschen dominiert wird, vermeiden.

Es reicht also nicht, einfach eine Gruppe von schlauen Leuten zusammenzubringen, um eine gute Besprechung sicherzustellen. Gleichzeitig lassen sich mit dem Beachten von einigen wenigen Prinzipien Meetings deutlich verbessern. Die Kunst der guten Meetings lässt sich also erlernen. Am Anfang hat den größten Effekt womöglich das Konzept der gelungenen Teilnahme (siehe Erfolgsfaktoren). Wenn alle Teilnehmenden ihr Verhalten bewusst reflektieren, ist bereits viel gewonnen.

Erfolgsfaktoren für gute Besprechungen

Spezifische Meeting-Rollen: Es hilft ungemein, wenn es zumindest zwei explizite Rollen gibt, die Menschen neben ihrer Teilnehmerrolle zusätzlich innehaben. Der Facilitator moderiert das Meeting und sorgt dafür, dass sowohl der Besprechungsrahmen als auch die zuvor definierten Prozesse eingehalten werden. Idealerweise gibt es einen Haupt-Facilitator und eine Person, die bei Bedarf als Back-up einspringen kann. Der Secretary bereitet die Besprechung vor, erstellt die Agenda in Absprache mit dem Facilitator und visualisiert und protokolliert die Inhalte und Ergebnisse.

Gelungene Teilnahme: Hierbei handelt es sich um eine Art mentale Erinnerung und Aufforderung an Einzelne und die gesamte Gruppe, sich kontinuierlich Folgendes zu fragen: „Ist mein Verhalten in diesem Moment der bestmögliche Beitrag, den ich zur Effektivität unserer Zusammenarbeit leisten kann?“ Ich habe diesen Satz wahre Wunder wirken sehen, wenn er denn ernst genommen wird. „Beitrag“ kann dabei bedeuten, bewusst nichts zu sagen, bewusst zu unterbrechen oder auch bewusst einen Einwand vorzubringen. Dieses Prinzip führt womöglich dazu, dass die Vielredner etwas weniger sprechen und sich die Ruhigen bewusst etwas mehr einbringen und generell alle reflektiert an der Besprechung teilnehmen.

Pop-up-Regeln: Es ist nicht einfach, schnell mal die Kultur eines Unternehmens zu verändern, um gewünschte Verhaltensweisen zu fördern. Viele Verhaltensweisen, die man in Besprechungen beobachten kann, sind ein Ausdruck der vorherrschenden Unternehmenskultur. Allerdings lassen sich für die Dauer einer Besprechung explizite für die Besprechung förderliche Regeln vereinbaren, die nur für die Dauer der Besprechung gelten. Ich nenne diese Pop-up-Regeln. Manche Meeting-Werkzeuge geben bereits einige Regeln vor, die Teil des Prozesses sind. Dies bietet sich besonders auch im interkulturellen Kontext an, wo es viele unbekannte implizite und nicht ausgesprochene Regeln gibt, die es für alle Beteiligten herausfordernd machen. Pop-up-Regeln können hier Abhilfe schaffen.

Dieser Beitrag stammt aus dem Fachmagazin changement!, Ausgabe 6/2021, Seite 10-12



Weitere passende Artikel

Leadership

Future Skills für Führungskräfte

Wer führt, muss die Zukunft im Blick haben. Und die Zukunft ist geprägt von Veränderung. Es braucht einige Future Skills, um fit zu werden für die Führungszukunft und die Segel zu setzen für Change und Transformation.

von Michaela Flick
Weiterbildung

Wie sich das betriebliche Lernen ändern wird

Neue Formen und Methoden des Arbeitens begegnen uns allenthalben im Berufsleben. Vernetzung, Komplexität, Digitalisierung, Selbstorganisation sind die einschlägigen Stichworte. Mit diesen Entwicklungen sind häufig neues Wissen, neue Fähigkeiten, neue Kompetenzen sowie neue sie begründende Werte verbunden. Tiefgehende Konsequenzen für das betriebliche Lernen sind die Folge.

von Prof. Dr. Werner Sauter