Die Formel für vertrauensvolles Feedback

Sparsames Kritisieren, Empathie und Verletzlichkeit sind die drei wirkungsvollsten Hebel dafür, dass Manöverkritik gut ankommt.

von Joachim Pawlik

„Wir müssen reden. Hast du mal zehn Minuten für mich?“ Die Reaktionen auf diese Frage sprechen Bände darüber, wie Teammitglieder zueinanderstehen. Einige wirken angefasst und antworten mit beleidigtem Unterton etwas in der Art wie: „Wenn Du meinst…“ Anstatt sich gegenseitig zu vertrauen, dominieren Konkurrenzdenken und Unsicherheit.

Glücklicherweise ist es aber nicht überall so. Manchmal reagieren Kolleginnen und Kollegen offen und interessiert, wenn Peers ihnen Feedback geben möchten und hören sich zugewandt das Anliegen des Gegenübers an. In solchen Fällen ist das Betriebsklima meist von gegenseitiger Wertschätzung und einer angstfreien Atmosphäre geprägt.

Joachim Pawlik

ist CEO der PAWLIK Group, einer internationalen Unternehmensberatung für systemische Personal- und Organisationsentwicklung sowie Personalberatung und Digitalberatung. Mehr als 300 Berater:innen und Mitarbeitende an 15 Standorten begleiten Kunden weltweit bei ihren Herausforderungen und helfen ihnen, mit einem integrativen, systemischen und damit einzigartigen Beratungsansatz ihre Pläne umzusetzen. Vor seiner Karriere als Top-Management-Berater war Joachim Pawlik Profi-Fußballer.

Vertrauen steigert die Teamleistung

Natürlich ist es spannend zu wissen, wie es zu einer Vertrauenskultur im Arbeitsumfeld kommt. Wenn unsere Berater:innen in Unternehmen nachfragen, ist die überraschende Antwort: Keiner weiß es so richtig. Vertrauen ist fast immer ein Zufallsprodukt. Das Problem für Führungskräfte ist nur: Wer Vertrauen dem Zufall überlässt, überlässt es auch dem Zufall, ob die eigene Mannschaft erfolgreich arbeitet. Denn nur wenn sich Teammitglieder untereinander bedenkenlos Rückmeldung geben und einholen können, verbessert sich die Gesamtleistung. Vertrauen mobilisiert Kräfte und setzt Potenziale frei, die erst in der Gemeinschaft entstehen. Das schlägt sich Studien zufolge sogar im Gehalt nieder. Laut „World Values Survey“ besteht eine starke Korrelation zwischen Vertrauen und Einkommen. Geringverdiener misstrauen anderen Menschen mehrheitlich. Spitzenverdiener dagegen vertrauen ihrem Umfeld überwiegend. Kurzum: Wer den Kolleginnen und Kollegen vertraut, spornt sie an und profitiert sogar selbst davon.

Stellen Sie sich die folgenden vier Fragen, um herauszufinden, ob Sie gut Feedback geben und empfangen können.

1.    Womit sind Sie schneller bei der Hand: mit Lob oder Kritik?
2.    Wann haben Sie jemandem zuletzt gesagt: „Ich brauche deine ehrliche Meinung zu meinem Verhalten!“?
3.    Können Sie einen Fehler offen zugeben?
4.    Werden Sie regelmäßig von Kolleginnen und Kollegen um ihre Meinung gefragt?

Ein flüchtiges Gut

Wenn Vertrauen so viel Gutes bewirkt, muss es einen Grund geben, warum es dennoch häufig fehlt. Die Antwort liegt nicht zuletzt in schlechten Erfahrungen. Viele Menschen sind auf die eine oder andere Art schon enttäuscht worden, wenn sie selbst mit offenen Karten spielten und ihr Gegenüber dies ausnutzte. Richtigerweise lernen sie daraus, nicht blind zu vertrauen. Aber wenn es so weit geht, dass Peers sich nicht trauen, sich gegenseitig ehrliches Feedback zu geben, wie anfangs beschrieben, hilft es keinem weiter. Dann zieht das Team nicht mehr an einem Strang und es wird höchste Zeit, dagegen etwas zu tun. Es gibt wirkungsvolle Hebel, die gegenseitiges Vertrauen aufbauen.

Hebel 1: Kritik sparsam dosieren

Der emeritierte Psychologieprofessor John Gottman hat in Bezug auf Paare auf eine simple Feedback-Faustregel aufstellt, die ebenso unter Kollegen und Kolleginnen funktioniert. Gottman stellte fest, dass in glücklichen Beziehungen das Verhältnis von Lob zu Kritik 5:1 beträgt. Glückliche Paare äußern sich dem Partner gegenüber also mindestens fünf Mal häufiger positiv als negativ. Das Prinzip ist auf Arbeitsbeziehungen übertragbar. Wichtig ist auch hier, das kritische Verhältnis zwischen positiv und negativ genau im Blick zu behalten, da Vertrauen fragil ist. Besonders dann, wenn man unter Druck steht, lässt man schnell zu viel Dampf ab. Das hat oft mehr mit einem selbst zu tun als mit dem anderen, dennoch beschädigt es das Vertrauensverhältnis. In angespannten Phasen hilft tatsächlich eine simple Strichliste, mit der man sich diszipliniert.

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Hebel 2: Verständnis zeigen

Wer Vertrauen gewinnen will, muss signalisieren, dass er auch die Bedürfnisse seines Gegenüber im Blick hat. Das gelingt über Empathie. Die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Gefühle und Gedanken anderer hineinzuversetzen, verbindet Menschen. Man muss kein Versteher sein. Es genügt ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, die in der Hektik des Alltags manchmal untergeht. Das fängt schon im Kleinen an: Wer sich Zeit nimmt und fragt, wie es dem anderen geht und sich die Antwort anhört, wirkt und wird zugewandter.

Hebel 3: Verletzlichkeit zulassen

War es vor 20 Jahren noch undenkbar, im Beruf Schwächen zuzugeben, gilt Verletzlichkeit inzwischen als vertrauensbildender Wesenszug. Die Harvard-Wissenschaftlerin Amy Edmondson ist in ihrer Doktorarbeit auf ein solches Phänomen gestoßen. Sie untersuchte die Leistung von Teams in Krankenhäusern und kam dabei zunächst zu einem paradoxen Ergebnis. Ausgerechnet diejenigen, die besonders vertrauensvoll zusammenarbeiteten, schienen die meisten Fehler zu machen. Beispielsweise vertauschten sie zehn Mal öfter die Medikationen. Edmondson ließ dieser Widerspruch keine Ruhe. Wie konnte es sein, dass vertrauensvoll zusammenarbeitende Teams die meisten Fehler machten? Irgendwann hatte sie ihren Heureka-Moment: Die vertrauensvollen Teams machten keineswegs mehr Fehler. Sie sprachen nur offener darüber, während die eher misstrauischen, angstgesteuerten Teams die Fehler häufiger unter den Teppich kehrten. De facto führte die vertrauensvolle Fehler- und Feedbackkultur zu besseren Resultaten. Eigene Unsicherheiten und Schwächen zuzugeben, ermutigt die anderen, es ebenso zu tun und sich gegenseitig zu unterstützen. In einem solchen Klima wird Feedback als Chance erkannt, daran zu wachsen.

Literatur-Tipp: Zirkeltraining für die Karriere – Vorbereitet auf jede Chance, die kommt

Wer seine sportliche Performance steigern möchte, geht ins Zirkeltraining. Aber was tun diejenigen, die sich für die Karriere fit machen wollen? Joachim Pawlik hat die Methode Zirkeltraining auf das Berufsleben übertragen und dazu den 2021 erschienenen Bestseller „Zirkeltraining für die Karriere“ verfasst. An zehn Stationen erfahren Leser:innen, auf welche persönlichen Kompetenzen es ankommt, um auch in schnelllebigen Zeiten nachhaltig Karriere zu machen. Reflexionsfragen, Übungen und Micro-Learnings an jeder Station fordern auf, sich kritisch mit sich auseinanderzusetzen und gezielt an sich zu arbeiten – um an Flexibilität, Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit zu gewinnen.



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