Was digital fitte Führungskräfte ausmacht

In einer zunehmend digitalen und hybriden Arbeitswelt brauchen Unternehmen Führungskräfte, die digital fit sind. Dafür ist ein Bündel an bestimmten Einstellungen und Fähigkeiten notwendig, um auch in der Zukunft erfolgreich gestalten zu können. Auf sieben Faktoren kommt es bei der Digital Fitness besonders an.

von Nadine Soyez, Prof. Dr. Gerald Lembke

Für die Führung und Zusammenarbeit in virtuellen Teams – sei es remote oder hybrid – benötigen Führungskräfte ein Update ihrer Fähigkeiten, die wir als Digital Fitness beschreiben. Digitalisierungs-Know-how wird oft mit Anwendungsfähigkeiten in Bezug auf Tools gleichgesetzt. Es geht allerdings um weit mehr als das Wissen um die Nutzung von Technologie.

Einstellungen und Fähigkeiten, um Change zu gestalten

Eine digital fitte Führungskraft beherrscht ein besonderes Bündel an Einstellungen, Fähigkeiten und Skills, um die Veränderungen und die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten. Mit einer ausgeprägten digitalen Fitness sind Führungskräfte befähigt, in einem dynamischer werdenden digitalen Umfeld ungeplante und unvorhersehbare Ereignisse zu analysieren, neue Entscheidungsalternativen herzuleiten und neue Methoden in der Praxis umzusetzen. Sie verfügen über das Wissen für das Anwenden von Tools in ihrem Führungsalltag. Sie kennen die speziellen und wirkungsvollen Gestaltungskriterien für eine erfolgreiche digitale Zusammenarbeit und können diese für ihren eigenen Kontext und ihr Team adaptieren und anwenden. Im Folgenden beschreiben wir die wichtigsten sieben Erfolgsfaktoren hinsichtlich einer „Digital Fitness“.

Nadine Soyez
Nadine Soyez

ist seit 2005 Management Consultant und hat langjährige Erfahrungen als Projektmanagerin auch in internationalen virtuellen Teams. Nadine Soyez hat in namhaften Management- und IT-Beratungen gearbeitet. Ihre Leidenschaft ist die Fragestellung, wie neue Technologien die Zusammenarbeit in Unternehmen verändern und diese unterstützen.

Prof. Dr. Gerald Lembke

ist Berater, Digitalpionier und -unternehmer der ersten Stunde. Mit mehr als tausend Digitalprojekten und 25 Berufsjahren ist der Medienwissenschaftler ein gefragter Experte zum Thema Umgang mit digitalen und sozialen Medien. Der mehrfache Autor ist Co-Autor des im Redline Verlag erschienenen Buchs „Die Lüge der digitalen Bildung“.

1. Für „Digital Fitness“ braucht es vor allem das richtige Mindset

Die digitale Arbeitswelt und die damit einhergehenden Veränderungen erfordern ein anderes Mindset. Dieses bezieht sich zum einen auf die eigene notwendige Grundhaltung, offen für Veränderungen zu sein, diese aktiv mitzugestalten und nicht an alten Gewohnheiten festzuhalten. Zum anderen gibt es auf Unternehmensebene andere, neue Herausforderungen, die ein Umdenken erforderlich machen. Wenn Mitarbeitende von überall aus tätig werden können, werden die Unternehmen austauschbar. Für die Führungskräfte bedeutet „Digital Fitness“ deshalb auch die Fähigkeit, eine sinnstiftende Arbeitskultur zu schaffen. Employee Experience wird ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Digital Leadership heißt auch Führung auf Augenhöhe mit gegenseitiger Wertschätzung und Nutzung aller Mitarbeiterpotenziale. Erfolgreiches hybrides und digitales Arbeiten erfordert mehr Selbstorganisation. Für viele Führungskräfte besteht die Herausforderung darin, loszulassen und das Gefühl von Kontrollverlust zu überwinden. Das heißt, ein Umfeld von „Management by Ergebnisse“ anstatt „Management by Anwesenheit“ zu schaffen. Die Forderung nach Veränderungsbereitschaft, Sinnstiftung und mehr Einbindung der Mitarbeitenden ist nichts Neues. Jedoch wird dies in der digitalen Arbeitswelt zwingend erforderlich, um Talente zu binden.

2. Besonderheiten der digitalen Kommunikation kennen

Wenn man Führungskräfte fragt, was die größte Herausforderung bei der Arbeit in einem virtuellen Team ist, steht die digitale Kommunikation neben Transparenz und Koordination meist an erster Stelle. Digital fitte Führungskräfte kennen die Besonderheiten der digitalen Kommunikation in einer mobilen Arbeitswelt, wissen, was sie ändern müssen, um effizient und effektiv auf Distanz zu kommunizieren und alle im Remote- bzw. hybriden Team einzubinden. Auf Basis des „Rich Media“-Konzepts wählen sie geeignete Kommunikationskanäle wie E-Mail, Chat, Online-Meetings oder „Team Places“ aus: Je komplexer der Sachverhalt, desto persönlicher der Kontakt. Virtual Facilitation und das erfolgreiche Gestalten von (hybriden) Online-Meetings sind ein großer Bestandteil von „Digital Fitness“: Es bezieht sich zum einen auf Methoden in der Moderation, um alle Beteiligten aktiv einzubinden und engagiert zu halten. Zum anderen betrifft es auch spezielle Tool-Kenntnisse wie das Vorbereiten, Gestalten und der Einsatz von digitalen Whiteboards in Online-Meetings und -Workshops.

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3. Tools richtig nutzen und einsetzen

Wenn Mitarbeitende die Tools kaum nutzen, sind häufig nicht die Tools das Problem, sondern das falsche Verständnis und/oder ihr falscher Einsatz. Meist sind in diesen Fällen die Tools einfach top-down eingeführt worden. Sehr oft sind Mitarbeitende auch von der Anzahl der Tools oder Kommunikationskanäle überfordert. Nicht selten wird trotz vorhandener „Werkzeuge“ alles weiter per E-Mail kommuniziert und werden Dokumente hin- und hergeschickt, anstatt in der Cloud zu arbeiten. Digital fitte Führungskräfte wissen, dass es zuerst gilt, die Prozesse und Workflows zu analysieren und die Mitarbeitenden hier gezielt einzubinden. Dann kann entschieden werden, wie welche Tools eingesetzt werden. Mehr Tools machen nicht produktiver. Was es stattdessen braucht, ist ein klar strukturierter Digital Workplace, mithilfe dessen jeder weiß, wie zusammengearbeitet wird, wo welche Information zu finden ist und wo Wissen geteilt wird. Führungskräfte verstehen den digitalen Arbeitsplatz im Allgemeinen als Führungsinstrument und können soziale Tools in der täglichen Führungsarbeit einsetzen. Sie wählen einen passenden Tool- Mix aus und erarbeiten gemeinsam mit dem Team Guidelines für die Tool-Nutzung.

4. Mit virtuellem Vertrauen Teamverbundenheit schaffen

Informelle Kommunikation ist für den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen notwendig und um Isolation vorzubeugen. Gute Beziehungen und Vertrauen untereinander sind Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit. Im Büro geschieht dies selbstverständlich. Die Einbindung von Mitarbeitenden ist in einem hybriden Team eine Herausforderung. Digital fitte Führungskräfte kennen die Möglichkeiten, Methoden und Tools, um auf Distanz „Digital Trust“ und Konnektivität im Team herzustellen. Sie betreiben ein aktives Managing by walking around auch in der digitalen Arbeitsumgebung. Des Weiteren implementieren sie zusammen mit ihrem Team und den Mitarbeitenden Rituale, die Verbundenheit untereinander schaffen.

5. Digitale Arbeitsorganisation

Die digitale Zusammenarbeit erfordert eine angepasste Arbeitsorganisation im Hinblick auf die Faktoren „Zeit“ und „Ort“: Asynchrone Kommunikation hilft dabei, konzentriert und störungsfrei Aufgaben nach eigenem Zeitplan zu erledigen, was die eigene Produktivität erhöht. Gemeinsame synchrone Online-Zusammenarbeit dagegen ist wichtig, um gemeinsam im Team Ideen zu generieren und Probleme zu lösen. Durch unverhältnismäßige asynchrone Arbeit droht das Team auseinanderzufallen. Zu viel Synchronität und ständiges „online“ sein überlastet wiederum nachweislich die Mitarbeitenden und führt zu Stress. Digital fitte Führungskräfte wissen, dass für eine erfolgreiche digitale Kollaboration eine gute Balance zwischen synchroner und asynchroner Zusammenarbeit und Kommunikation erforderlich ist. Sie implementieren eine effiziente Arbeitsorganisation, die zum einen den Anforderungen an die eigenen Prozesse und zum anderen den Bedürfnissen des Teams gerecht wird.

6. Digital- und Medienkompetenzen

Zu den digitalen Skills zählt, neue Technologien zu bewerten und über deren Einsatzmöglichkeiten zu entscheiden. Der Umgang mit digitalen Medien in der Arbeit und für sich selbst gilt in der digitalen Arbeitswelt als Selbstverständlichkeit: Potenziale für die Wertschöpfung identifizieren, Risiken erkennen, Ablenkungen vermeiden und mit der Informationsüberflutung umgehen.

7. Mentale Gesundheit

Das Thema mentale Gesundheit gewinnt beim Arbeiten auf Distanz immer mehr an Bedeutung. „ Digital Fitness“ heißt daher auch, die Einflussfaktoren und Hintergründe zu verstehen, warum digitales Arbeiten schnell zu Überlastung und Stress führen kann. Auf dieser Basis können eine „gesunde“ digitale Arbeitsorganisation im Team gestaltet und Routinen für mentale Gesundheit entwickelt werden. Dazu gehört ebenfalls das Schaffen einer Kultur der psychologischen Sicherheit, in der jeder über persönliche Präferenzen und Überlastung vertrauensvoll sprechen kann. „Digital Fitness“ erfordert in einigen Bereichen die Arbeit am Mindset. Darüber hinaus müssen bestimmte neue Skills und Fähigkeiten erlernt, trainiert und im Führungsalltag umgesetzt werden. Wie im Sport erfordert dies Konsistenz, um nicht in alte Gewohnheiten oder in die alte Welt zurückzufallen.

Literaturtipp

Gerald Lembke; Nadine Soyez (2021): „Digital-Fitness für Führungskräfte: Praxiswissen, Skills und Checklisten für die neue hybride Arbeitswelt“, Redline Verlag

Führungskräfte brauchen in der neuen Arbeitswelt mehr „digitale Fitness“. In dem Buch wird ein umfassendes Entwicklungskonzept erläutert, mit dem sich die notwendigen Fähigkeiten erwerben und so die neuen Herausforderungen besser bewältigen lassen. Und es werden Tipps, Checklisten und Reflexionsfragen gegeben, mit denen Führungskräfte sich und ihre Mitarbeitenden ins digitale Zeitalter bringen.

Dieser Beitrag stammt aus dem Fachmagazin changement!, Ausgabe 2/2022, Seite 66-68



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